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Jahreswechsel 2014 / 2015 in Afghanistan

eingetragen von msalchow am Dienstag, 16. Dezember 2014 [11:11]


Verehrte Leser und Leserinnen!

Das Jahr 2014 neigt sich zum Ende, und mit ihm endet nach 13 Jahren der Einsatz der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan. Die Bundeswehr ist daran seit Januar 2002 beteiligt und war neben umfangreicher Aufbauarbeit auch in intensiven Kampfhandlungen gefordert. Am Ende des ISAF Mandates und vor Beginn der NATO Folgemission, Resolute Support, ist es an der Zeit, in einem kurzen Rückblick Bilanz zu ziehen.

Mit den verheerenden Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington wurde überdeutlich klar, dass die Wut internationaler Terrororganisationen sich offen gegen westliche, demokratische und pluralistische Staats- und Lebensformen richtete. Der Krieg, den wir heute als Krieg gegen den Terror kennen, war in unsere Wohnzimmer und Städte getragen worden – nach New York, Washington, später auch Madrid und London. Als Attaché in den Vereinigten Staaten musste ich 2001 nicht nur die Bilder im Fernsehen, sondern auch den Brandgeruch im Pentagon ertragen. In einer Welle der Sympathie unterstützte die Staatengemeinschaft die US Amerikaner, als sie militärisch gegen jenes Land vorgingen, in dem dieser Terror seine Heimat gefunden hatte – im Afghanistan der Taliban.
Unmittelbar nach Zerschlagung des Taliban Regimes fand im Dezember 2001 auf dem Bonner Petersberg jene entscheidende Konferenz statt, an deren Ende eine afghanische Interimsregierung stand, zu deren Absicherung in Kabul die ISAF ins Leben gerufen wurde. Den Afghanen ist die Rolle, die gerade Deutschland über Jahre gespielt hat, dankbar in Erinnerung.

Die ISAF hat in den 13 Jahren ihres Bestehens wiederholt ihr Gesicht gewandelt. Aus einer kleinen Schutztruppe in Kabul von 1.500, überwiegend deutschen Soldaten, wurden über die Jahre bis zu 130.000 Soldaten aus 50 Nationen. Viele Nationen wechselten im Verlauf der Jahre ihre militärischen Beiträge, Einsatzorte und Verantwortlichkeiten – so auch Deutschland, das sich ab 2003 in Nordafghanistan engagierte und Mitte 2006 die Verantwortung für die Nordregion übernahm.

Viel ist geschrieben worden zum Einsatz der Bundeswehr, zum Einsatz der internationalen Streitkräfte insgesamt.
Gerade in diesen Tagen hört man dabei immer wieder die Frage: War es das wert?

Der Preis, den die internationale Staatengemeinschaft, die 50 Nationen der ISAF, gezahlt haben, ist hoch. Er ist hoch im finanziellen Bereich, aber noch viel gewichtiger in den Opfern durch Blut und Tränen. An seinem Ende steht der friedliche Übergang der Macht von einem demokratisch gewählten Staatsoberhaupt an ein anderes – erstmalig in der Geschichte dieses Landes.
Nach 13 Jahren unter dem Schutz der ISAF, stehen der afghanischen Regierung heute 350.000 ausgebildete und ausgerüstete Soldaten und Polizisten zur Verfügung, die sich in zwei Jahren seit Übergabe der Sicherheitsverantwortung mit Unterstützung durch die ISAF bewährt haben. Sie werden, mit fortgesetzter, beratender internationaler Hilfe, die Souveränität der Regierung auch in Zukunft schützen.
Ein fast zusammengebrochenes Bildungssystem hat sich etabliert und stabilisiert und bietet heute insgesamt 9 Millionen afghanischer Kinder den Bildungseinstieg, den das Land dringend braucht – fast 50% davon, wie sollte es anders sein, sind Mädchen. Damit ist das Analphabetentum bereits heute von 88% auf 67% geschrumpft.

Die Lebenserwartung ist durch Entwicklung des Gesundheitssystems von 43 Jahren auf 64 Jahre emporgeschnellt, was zugleich ein Zeichen verbesserter Lebensqualität ist. Afghanen haben überwiegend Zugang zu Telefon, Internet und einem breiten Medienangebot, die Straßen sind mit Privatwagen überfüllt. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung lehnt eine Rückkehr der Taliban, die all dieses bekämpft, strikt ab.

Dies alles war nur möglich, weil die ISAF konsequent den Aufbau abgesichert und begleitet hat. Am Ende von 13 Jahren und bald 2 Jahren persönlichem Einsatz in diesem eine friedliche Zukunft verdienenden Land bilanziere ich:
Es hat sich gelohnt. Die ISAF hat ihren Auftrag erfolgreich beendet.
Es ist nun an der Zeit, darauf aufzubauen und mit einem neuen Auftrag, mit neuer Perspektive das Errungene für die Zukunft zu sichern.

Aus Kabul wünsche ich allen Lesern ein Frohes Weihnachtsfest und einen guten Start des Neuen Jahres.

Carsten Jacobson
Generalleutnant

Deputy Commander
International Security Assistance Force (bis 31.12.2014)
NATO Resolute Support Mission (ab 01.01.2015)


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