Jörg Schönbohm, Minister a.D.
Koblenz, 20.November 2014
Trauerrede
Meine Damen und Herren, liebe Kameraden,
wir haben uns hier an diesem Ehrendenkmal des Heeres versammelt, um der Toten zu gedenken. Der Toten aus 2 Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts und der Toten der Auslandseinsätze in unserer Zeit, z.B. in Jugoslawien und in Afghanistan vor wenigen Monaten.
Wir wissen nicht, wie viele Gefallene und Kriegstote es sind, aber es sind sicher Millionen! Dieses Denkmal könnte ihre Namen nicht fassen. Daher denken wir an einen einzelnen - jeder für sich - an jemanden, dessen Namen uns bekannt ist aus unserer Familie.
Man könnte sich fragen, warum wir noch der Toten der beiden Weltkriege - der 1. Weltkrieg begann vor 100 Jahren - gedenken, nach so langer Zeit! Eine Zeit, die unseren Eltern und uns geschenkt wurde und Zeit ist zum Leben! Die Gefallenen und Toten der beiden Weltkriege gehören zu den Generationen unserer Eltern, unserer Großeltern und Ur-Großeltern. Aber immer noch ist das Fehlen eines geliebten Menschen in den Familien gegenwärtig: es wird ihrer gedacht, es wird von ihnen gesprochen- von denen, die ihn noch persönlich gekannt haben oder vom Erzählen her kennen.
Das Gedenken berührt uns, aber wir wissen manchmal nicht, wie wir damit umgehen sollen - oder wollen. Es gehört zu unserer
Kultur und vielleicht hilft es uns, sich an diesem Tag zu besinnen, wofür die Menschen eigentlich gestorben sind.
Dem Soldaten ging es nie um ihn selbst. Im 1.Weltkrieg gab es noch kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Jedermann musste in den Krieg ziehen - für "Gott, König und Vaterland". Im 2.Weltkrieg war es vor allem eine ideologische Pflicht, die sich aus dem Nationalsozialismus ergab, für das Vaterland zu kämpfen und an der Front zu fallen. Die trauernden Angehörigen blieben zurück. Sie mussten den schweren Verlust ertragen, wenn das Unvorhergesehene eingetreten war.
Gab und gibt es denn einen Trost für die Trauernden? Hilft es, sich Gedanken zu machen, wofür die Soldaten gefallen sind? Sie haben für unser, für ihr Volk und Vaterland, das auch das unsere ist, gekämpft und sind dafür gefallen. Daraus ergibt sich für uns die Verpflichtung, dies zu würdigen.
Ein Denkmal ist zugleich ein Mahnmal. Die Älteren von uns können sich an die Kriegszeit und die Nachkriegszeit mit den schwierigen Aufbaujahren - auch der Bundeswehr - erinnern. Wozu werden wir ermahnt? "Nie wieder Krieg" hallte es durch die Städte und Dörfer und währenddessen wurde - nicht unangefochten - die Bundeswehr aufgebaut.
ln der Zwischenzeit ist das alles Vergangenheit für unsere Kinder und Enkel - eine Vergangenheit, die bei der Gestaltung der Gegenwart nicht ausgeschlossen werden darf.
Was kann sich ein Soldat der Bundeswehr von den Gefallenen und Toten der vergangenen Kriege zu eigen machen?
"Nie wieder Krieg"- gehört zum Selbstverständnis der Bundeswehr, was sich auch definiert in drei kurzen Begriffen:" WIR. DIENEN. DEUTSCHLAND". Ein Krieg ist heute nicht mehr vorstellbar, wie es unsere Väter ihn erlebt haben. Unter den Bedingungen eines freiheitlich, demokratischen Rechtsstaates ist z.B. ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Deutschland und anderen europäischen Staaten oder den USA undenkbar! Wir können in alle Himmelsrichtungen schauen, in denen wir Nachbarn haben - wir finden überall Verbündete und Partner, mit denen wir vertrauensvoll zusammen arbeiten. Dass das so bleibt, haben alle Völker Europas aus den blutigen Schlachten des vergangenen Jahrhunderts entnommen. Auch dies ist für uns ein gemeinsames, ein europäisches Vermächtnis, das von unseren Gefallenen ausgeht. Gegen einen Menschen, dem wir uns eng verbunden fühlen, würden wir nicht kämpfen. Daher ist es wichtig, dass wir unseren europäischen Nachbarn vertrauen und enge zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen. Für unsere Kinder und Enkel beginnen diese "grenzenlosen" Verbindungen schon während der Schulzeit mit einem "Schüleraustausch".
Ganz konkret für die Bundeswehr bedeutet das: Gemeinsame Gefechtsübungen mit unseren europäischen Nachbarn. Das wird uns weiterbringen. Dabei wird sich herausstellen, dass unterschiedliches "Material" zum Einsatz zur Verfügung steht. Es gehört nicht zu den Aufgaben von Soldaten und Armeen innerhalb von Europa diese Unterschiede auszugleichen. Dieses ist eine politische Aufgabe, die dringend zu lösen ist, der Aufgabenstellung in Auslandseinsätzen gerecht zu werden und das Leben von Soldaten nicht leichtfertig zu gefährden.
Aber die Soldaten können dazu ihren Beitrag leisten, ja sie müssen es. Sie müssen nicht immer unterschiedlich Forderungen an das Gerät stellen, wenn sie gemeinsame Gefechte zu bestehen haben. Und diese Gefechte werden in ihrer Zahl aller Wahrscheinlichkeit zunehmen.
Am letzten Wochenende wurde in Potsdam-Geltow der Wald der Erinnerung von der Ministerin eingeweiht - in Anwesenheit des Bundespräsidenten wurde der Opfer der Bw gedacht, die in Gefechten oder bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind. Es wurde deutlich, dass es künftig vermutlich häufiger zu Einsätzen in fernen Regionen mit der Europäischen Union oder der NATO kommen wird. Die Soldaten können sich darauf verlassen, dass sie nur in einen Einsatz geschickt werden, der rechtmäßig ist und Deutschland wird nimmer mehr alleine in den Krieg ziehen. Das haben wir von unseren Vorvätern gelernt und diese Lehre ist uns wichtig.
Aber dazu braucht die Bw eine gute Bewaffnung und Ausrüstung und das ist dann die Aufgabe der Politik. Kurzfristig kann man an dem Beschaffungstitel mal sparen, aber das geht nicht über einen längeren Zeitraum - und das haben die verschiedenen Minister gemacht; das muss sich wieder umdrehen und es wird das auch, es ist jetzt offenbar geworden wozu die haushälterischen Engpässe führen und die Einsicht wächst. Die Bw wird das Material bekommen, das sie benötigt, das ist zwischen den Fraktionen weitgehend Übereistimmung. Der Soldat kann sich darauf verlassen, dass er die notwendige Ausstattung bekommt.
Der Soldat geht also gut ausgestattet in den kriegerischen Einsatz und trotzdem wird es Tote geben - nicht mehr in dem Maße, wie in den Weltkriegen. Der Tod bleibt der Begleiter des Soldaten, und wenn wir das von unseren Vorvätern gelernt haben, dann haben wir viel gelernt. Daher ist die Kameradschaft ein wichtiges Bindemittel, das sich über Jahrzehnte bewährt hat. Darum lasst uns der Vorväter und der Soldaten, die der Bw angehörten, im stillen Gedenken dafür danken, dass sie sich selbstlos ihrem Vaterland zur Verfügung stellten.
Wir gedenken in Achtung und Ehrerbietung derjenigen, die in den Weltkriegen und die vor nicht allzu langer Zeit in den Auslandseinsätzen, wie z.B. in Jugoslawien und Afghanistan, ihr Leben lassen mussten. Ihr Gedenken wird uns wichtig sein und bleiben.
Ihr Tod ist uns ein Vermächtnis.
Rilke: "Auch das GEWESENE ist noch ein SEIENDES"